Humanistische Psychotherapie

Humanistische Psychotherapie integriert die Erkenntnisse der Humanistischen Psychologie. Während Verhaltenstherapie und Psychoanalyse in ihren klassischen Ausprägungen die Determiniertheit menschlichen Verhaltens und Erlebens durch Konditionierung und unbewusste Übertragung von Objektbeziehungsmustern in den Vordergrund der ihren Maßnahmen zugrunde liegenden Betrachtungen stellen, betont die Humanistische Psychotherapie, die spezifisch menschlichen Faktoren der bewussten Wahl, des Willens und der persönlichen Entscheidung.

Zentrales Anliegen der Humanistischen Psychotherapie ist der Aufbau einer verlässlichen, unterstützenden und innigen Beziehung, in der die in ihrer Entwicklung gehemmte Persönlichkeit

  • sich vom Widerstand gegen beziehungsweise von der Fixierung auf Mangelbedürfnisse lösen,
  • auf allen Stufen der Bedürfnispyramide ihre Bedürftigkeit erkennen, Kompetenz zur Befriedigung erarbeiten sowie
  • ihr Potential für ein Leben als selbstbewusste Person entfalten 

lernen kann.

Humanistische Psychotherapie konzentriert sich jenseits der Unterschiede im technischen Vorgehen unter anderem auf

  • die Integration von Körper, Seele und Geist; von Empfinden, Fühlen, Wahrnehmen; Erinnern, Denken, Fantasie; Imagination, Intuition, Staunen; und situationsgemäßem Handeln;
  • das gegenwärtige Erleben der Person; sowie
  • die Wechselbeziehung zwischen persönlicher Entfaltung und gesellschaftlich verantwortlichem Handeln.

Eine solche Humanistische Psychotherapie nutzt für die Beseitigung von Symptomen und die Wiederherstellung von Funktionsfähigkeit Erkenntnisse und Verfahren der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie wie der Verhaltenstherapie. Sie

  • umfasst darüber hinaus ein breites und differenziertes Spektrum von gegenwarts-, körper- und personenbezogenen Verfahren, die auf die Entfaltung des menschlichen Potentials ausgerichtet sind,
  • ermöglicht den Begleitung bei der Selbstfindung Suchenden die Lösung von Blockaden gegen die Wahrnehmung von Gefühlen sowie den Ausdruck von Emotionen, 
  • achtet die persönlichen Neigungen auf dem ganzen Spektrum menschlicher Natur, von den materiellen und seelischen Grund- bis zu den höheren Bedürfnissen, 
  • fördert insbesondere Wahrnehmung und Ausdruck der Einzigartigkeit und Eigenart der Person und 
  • unterstützt damit deren Drang nach Selbstverwirklichung als spirituelle, für die Wahrnehmung und Bezeugung des Seins im Dasein offene Person.

In der praktischen therapeutischen Arbeit achtet Humanistische Psychotherapie mehr darauf, wie die Person ihr Potential unterdrückt beziehungsweise entfaltet, als auf Anpassung an eine Konsensusrealität, die in der Regel Ausdruck dessen ist, was wir wahrnehmen oder übersehen gelernt haben. Im Schutzraum der therapeutischen Beziehung kann die Hilfe suchende Person

  • freundliche Aufmerksamkeit entwickeln gegenüber den Bewegungen der Seele, 
  • reaktive Abwehrmuster erkennen und überwinden,
  • Erinnerungen, Gefühle und Emotionen zulassen,
  • sich von der Identifikation mit dem Kind lösen, das mit zu wenig und zu viel fertig werden musste, 
  • Raum entfalten sowohl für die Erinnerung an die Zeit, in der die Entwicklung einer Abwehrreaktion sinnvoll war, als auch für ein Erkennen der Sinnwidrigkeit der Übertragung dieser Reaktionen in die Gegenwart,
  • Alternativen in Wahrnehmung, Fühlen, Denken und Handeln erkunden und so 
  • Kompetenz entwickeln für eine ihrem Wesen gemäße Lebensgestaltung.

Humanistische Psychotherapie kann schließlich übergehen in spirituelle Praxis, in der die Person den Raum des Seins pflegt, zum einen durch beharrliches Üben zum Beispiel in der Meditation, zum anderen durch bewusste Anwesenheit in einem teilnahmsvoll gestalteten Alltag.